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Gastbeitrag: Schreiben & lesen in der Schule

Es gibt Fragen, die werden uns Autoren immer wieder gestellt. Eine davon lautet: „Dann warst du in der Schule in Deutsch bestimmt richtig gut, oder?“

Ich muss dann (leider) sagen, dass Deutsch nun weder zu meinen Lieblingsfächern gehörte noch zu meinen besten. Das sorgt dann oft für Verwunderung. Eine Autorin, die schlecht im Fach Deutsch war?
Ich mochte den Deutschunterricht in der Schule nicht. Das hatte verschiedene Gründe. Ich war gut in Rechtschreibung und Grammatik, bekam meistens Einsen oder Zweien in Diktaten. Aber Aufsätze lagen mir so gar nicht. Der Deutschunterricht in der Schule hat aber auch so viel mit kreativem Schreiben zu tun wie Mathe mit Kuchen backen.

Aber der Reihe nach.

Ich habe die meisten Bücher, die wir im Deutschunterricht lesen mussten, gehasst. Die einzigen Romane, die ich gut fand, waren Das Tagebuch der Anne Frank und Die Physiker von Dürrenmatt.
Letzteres gefiel mir, weil ich skurrile Figuren und Geschichten schon immer mochte und ich den Schreibstil angenehmer fand als z.B beim Schimmelreiter. Vielleicht würde ich viele der Bücher heute mögen oder wenigstens nicht ganz so furchtbar finden. In der siebten Klasse jedoch war der Schimmelreiter eine Qual für mich.

Unsere Deutschlehrerin ließ jeden in der Klasse aus dem Buch laut vorlesen, wenn wir gerade einen Roman behandelten. Die, die gut (flüssig und mit wenig Verhaspeln) lasen, durften mehrere Seiten lesen. Das betraf so zwei, drei Schülerinnen,  es waren also fast immer die gleichen Mädchen, die den Großteil des Unterrichts vorlasen. Die, die nicht gut vorlesen konnten, weil sie zu nervös waren, sich ständig verhaspelten oder nuschelten, bekamen oft einen Seitenhieb, weil sie nicht so gut vorlesen konnten. Dabei war es vielen einfach nur unangenehm. Die Schüler, die sowieso immer gemobbt wurden, mussten sich zwischen Gekicher von Wort zu Wort hangeln und so manch einer saß mit einem knallroten Kopf da und hoffte, dass die Lehrerin ihn schnell von dem Vorlesen erlöste.
Manchmal tat sie das nicht, aus einer Seite wurden vier, das Gekicher nahm zu, das Verhaspeln und Nuscheln ebenso und niemand im Raum konnte so richtig dem Text folgen.
Ich mochte nicht vorlesen und las immer zu schnell, weil ich schnell fertig werden wollte und Angst hatte, die anderen würden sich langweilen, wenn ich langsamer lese. Zudem hatte ich große Schwierigkeiten überhaupt in der Klasse zu sprechen.

Den Großteil des Romans sollten wir allerdings immer zu Hause lesen. 20- 50 Seiten bis zum nächsten oder übernächsten Tag. Ich weiß, dass ich beim Schimmelreiter nach drei Seiten am Stück aufgegeben habe. Ich habe versucht, mich zu zwingen, den Text zu lesen, aber meine Aversion war stärker. Nach mehr als drei Seiten habe ich einfach nicht mehr kapiert, was ich eigentlich las. Damals gab es noch kein Internet, so dass es nicht so leicht war, an eine Zusammenfassung zu kommen. Oft habe ich die Stellen zu Hause nur überflogen. Und das fiel auf, wenn ich konkrete Fragen der Lehrerin zu einer Stelle nicht beantworten konnte. Ich hasste es, Bücher zu lesen, die mich nicht interessierten. Das führte dazu, dass ich komplett die Lust am Lesen verlor und  – ganz untypisch für eine Autorin – keine Bücher in der Freizeit las. Dafür schrieb ich umso mehr Geschichten. Ich schreibe seit der Grundschule und bin wohl eine der wenigen Autorinnen, die früher nie gerne gelesen hat.
Erst mit 14 habe ich Bücher verschlungen, allerdings nur High-School-Romane. Meine Liebe zu Krimis habe ich erst mit 19 entdeckt, während eines Urlaubs. Ab da habe ich richtig viel gelesen.

Schlimmer als das Lesen der Bücher in der Schule waren dann nur die Aufsätze über ebendiese Bücher. Interpretation von Texten, Textstellen und Figuren war etwas, das ich einfach nicht konnte. Motive der Personen anhand der Aussagen oder Handlung zu erkennen, gelang mir nicht. Viele Fragestellungen waren mir nicht eindeutig genug, Nachfragen allerdings nicht erlaubt. Ich konnte mich in die Figuren im Buch oft nicht hineinversetzen und somit nur raten, was sie in Situation xy gefühlt haben könnten.
Einen Text nacherzählen gelang wir mühelos. Ich hatte ein unglaublich gutes Gedächtnis, vor allem auch für Details und so war ich darin zumindest richtig gut. Allerdings habe ich mich oft zu sehr auf die Details konzentriert und dadurch den Kern der Geschichte außer Acht gelassen.

Andere Aufgabenstellungen habe ich zu wörtlich genommen. So sollten wir als Aufsatzthema einmal eine Werbeanzeige aus einer Zeitschrift beschreiben. Ich beschrieb sie sehr genau. Jedes Wort, jeden Strich und Punkt. Das H ist großgeschrieben, das E klein, ebenso wie das  S … Der untere Strich ist grau und doppelt so lang wie der gelbe Strich darunter.
Für diesen Aufsatz bekam ich eine Fünf. Meine Deutschlehrerin fühlte sich veräppelt und wurde sauer, als ich sie darauf hinwies, dass ich mich doch an die Aufgabenstellung gehalten hatte.
Erst als meine Mitschüler ihre Aufsätze vorlasen, wurde mir bewusst, was ich falsch gemacht hatte.

Aufsätze waren nicht meine Stärke. In Deutsch hatte ich – trotz überwiegend Einsen in Diktaten – nur eine 3, manchmal eine 4. Und obwohl ich mit Büchern wenig anfangen konnte, habe ich es geliebt, selbst Geschichten zu schreiben. Inspiration nahm ich von Fernsehserien und Filmen. Und Sachen, die in meinem Alltag passierten.
Seltsam, dass ich immer Bücher schreiben wollte, obwohl ich kaum welche gelesen habe. Und dass mir das Schreiben so viel Spaß gemacht hat, obwohl meine Lehrerin stets meine Aufsätze kritisierte. Wenn ich Geschichten schrieb, war ich in meiner eigenen Welt. Hier konnte ich Personen erfinden, die das machten, was ich wollte. An Orten, die ich schön fand. Mit Leuten, die ich gerne selbst gekannt hätte. Ich konnte mich stundenlang in meinen Geschichten aufhalten und habe später eine Art High-School-Serie geschrieben, die umfasste so 30 Seiten pro Folge und einige Mädchen in der Klasse lasen die tatsächlich gerne und fragten, wann endlich eine neue Folge kommt. »Das ist, als ob man eine Serie schaut, so lebendig«, meinte eine Klassenkameradin mal begeistert nach dem ersten Lesen, und vielleicht war es dieses Lob, das mir Zuversicht gegeben hat und mich glauben ließ, dass ich wirklich schreiben kann, auch wenn meine Deutschnote etwas anderes vermuten ließ.

Über die Autorin:

Sophia Herzinger lebt in der Nähe von Hamburg  und ist seit 2013 freiberufliche Autorin. 2018 erschien ihr Roman Das Erbe von Juniper House bei Forever by Ullstein.
Unter dem Namen Arwyn Yale veröffentlicht sie Krimis.
Mehr zur Autorin findet ihr hier.

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