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Gastbeitrag: Kreativität planen

Oft werde ich gefragt: Woher bekommst du eigentlich deine Ideen? Es wäre etwas kurz gegriffen auf die literarische Muse zu verweisen, die einen Autor bisweilen küsst – oder auch nicht – und von der alles stammt. Hin und wieder mag es auch dieser geniale Einfall sein, der aus dem Nichts zu kommen scheint, doch gemeinhin ist man, nach meiner Erfahrung, als Autor besser beraten, seinen Ideenstrom und seine Schöpferkraft zu planen und zu managen. Hundert Ideen auf einmal nützen fast genauso wenig wie keine Einzige über Wochen hinweg.
Um seine eigene Kreativität zu steuern, hilft es sehr, sich zunächst klar darüber zu sein, was menschliche Kreativität eigentlich ist und wo sie herkommt.

Im Gegensatz zum landläufigen Vorurteil, kommen die Ideen weder aus dem Nichts noch aus einem selbst. 99% der Einfälle, die wir Menschen auf den Tisch bringen, sind Kombinationen von bereits existierenden Dingen.

Dampfmaschine + Kutsche = Auto

… und dergleichen. Ob der menschliche Geist überhaupt zu dem 1% völlig originärer Ideen fähig ist, bleibt umstritten.

Das nimmt allerdings eine große Menge Druck von unseren Schultern. Wir müssen nicht die eine zündende, nie dagewesene Idee haben, die noch nie einer hatte. Es genügt, wenn wir bereits bekannte Elemente neu kombinieren, zusammenwürfeln und modifizieren. Schaut man sich die erfolgreichsten Serien und Filme der letzten Jahrzehnte an, erkennt man schnell, wie hier eigentlich nur gut kombiniert und spannend aufbereitet wurde.

Wenn es also nicht notwendig ist etwas völlig Neues aus dem Boden zu stampfen, kann ich Techniken gezielt anwenden, um Ergebnisse zu erhalten. Die bekannteste Technikgruppe dabei ist natürlich das »Brainstorming«. Wörter, Gedanken, lose Fetzen von Information, egal was das Gehirn anbietet, man kann es aufschreiben und dann Verbindungen suchen, Assoziationsketten bilden und auf diesem Weg zu einer neuen Idee gelangen. Das geht schnell und mit etwas Training spielerisch von der Hand. Mehrfach durchgeführt kann ich dann mit den Ergebnissen wieder neu assoziieren oder mir meinen besten Ansatz aussuchen, um damit weiter zu arbeiten.

Wenn man nach Arthur Köstler geht, kann man anstatt mit Assoziation auch mit Bisoziationen arbeiten – gezielte Suche nach Dingen, die nicht miteinander verbunden sind. Solche nicht verketteten Begriffe zu erhalten, kann mitunter sehr schwierig sein, weil unsere Gedanken nun einmal verbunden sein wollen. Wenn man aber bisher unverbundene Sachen zusammenbringt, kann das zu genialen Ideen führen.

Es gibt aber auch Hilfsmittel, die einem helfen können. Ich habe viele Ideen mit Rory’s Story Cubes entwickelt – ich habe inzwischen fast alle der kleinen Bildwürfel. Eigentlich sollen sie als Anregung zum Geschichtenerzählen für Kinder dienen, aber genauso gut kann man mit den Bildern Assoziationsketten bilden, die zu Handlungssträngen für einen Roman oder eine Kurzgeschichte werden.

Ähnlichen Effekt kann die Google-Bildersuche haben, denn eine detaillierte Abbildung erzählt oft jedem Betrachter eine andere Geschichte. Oder man schaut durch die Illustrationen in Bildbänden, Brettspielen und Concept Art für das Lieblingscomputerspiel. Und wollen einem trotz der Bilderflut keine Ideen kommen, kann man immer noch davon träumen.
Natürlich kann ich darauf hoffen, dass mir des Nachts im Traum das Bild wieder einfällt, und ich mich nach dem Aufwachen noch daran erinnern kann. Sicherer ist es allerdings, das Träumen auf den Tag zu verlegen. Bewusst in ein Bild eintauchen, sich vorstellen man steht in dem Gebäude, auf dem Berg oder zwischen diesen Kriegern, erlaubt es einem, von den eigenen Schritte zu träumen. Fragen zu stellen. Was ist wohl hinter dem Baum? Wohin komme ich, wenn ich diese Tür durchquere? Worum geht es in diesem Streit?

Je lockerer man an diese Fragen herangeht, je offener das eigene Unterbewusstsein mit den Bildern und Eindrücken arbeiten darf, umso freier und interessanter werden auch die Ideen. Und je häufiger man Tagträume dieser Art, kleine Traumreisen praktisch, durchführt, umso einfacher wird das Spiel und die Ideen fließen irgendwann von ganz allein.

Leider ist nicht jede Idee auch eine gute Idee. Oder sogar eine großartige. Viele Einfälle sind sogar schlecht, oder nur so lange gut, bis man ein zweites Mal darüber nachdenkt. Wie also die guten Ideen herausfiltern? Oder sogar die großartigen? Ein Patentrezept habe ich in den letzten Jahren zwar nicht gefunden, aber es gibt zwei Anzeichen für gute Ideen: Sie sind auch morgen noch gut und überleben den Kontakt mit anderen Menschen. Wenn man nach dem darüber-schlafen mit dem Geistesblitz noch etwas anfangen kann, ist das schon mal ein guter Indikator. Für den zweiten Schritt braucht man jedoch Hilfe.
Manche Autoren schrecken davor zurück, jemand anderen an den eigenen Ideen teilhaben zu lassen. Böswillig, wie die Menschen sind, könnten die Fremden ja den genialen neuen Ansatz einfach stehlen! Nach meiner Erfahrung ist diese Sorge jedoch völlig unbegründet: Die meisten Leute haben nicht das Durchhaltevermögen, um eine eigene Geschichte, einen Roman oder ein Drehbuch zu schreiben. Und die allermeisten Autoren sind voll mit eigenen Ideen und Projekten und haben keine Zeit auch noch die Ideen der anderen zu klauen. Also ruhig raus mit dem Einfall und im persönlichen Gespräch herausfinden, ob er was taugt.

Geistesblitze, Erleuchtungen, Inspiration – all das ist planbar und lässt sich steuern. Die richtigen Hilfsmittel für sich zu finden und die kreativen Muskeln zu trainieren, sind dabei logische Schritte auf dem Weg zum Ideenfeuerwerk. Wichtig ist, sich nicht davon einschüchtern zu lassen, dass, vor allem zu Beginn, die Gedanken noch nicht brillant und die Einfälle noch nicht einzigartig sind. Das kommt mit der Zeit und Übung. Und man muss nicht das Rad neu erfinden. Manchmal genügt es, wenn man Zauberer auf die Highschool schickt.

Über den Autor: Francis Bergen, 1984er Mathematiker und Autor aus Oberhausen, bezieht seine kreative Energie aus seiner unstillbaren Neugier. Seit er sich 2002 mit Rollenspielen auseinander zu setzen begann, schreibt er Kurzgeschichten und Gedichte aus einem breiten Genrespektrum. Sein erster Fantasyroman „Der steinige Weg Freiheit“ ist im August 2017 erschienen, seine Kurzgeschichten kann man auf seiner Webseite und in der einen oder anderen Anthologie lesen.
Mehr zu seiner Arbeit findest du hier.

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How To: Figuren verkuppeln

Es ist Valentinstag und Liebe liegt in der Luft – oder so ähnlich. Das Thema Liebe ist weit genug, um es in unendlichen Blogbeiträgen zu bearbeiten, doch einer nach den anderen. Kümmern wir uns erst einmal darum, dass am Valentinstag kein Charakter alleine sein muss 😉
Figuren zu verkuppeln ist nicht immer einfach. Ich saß schon etliche Male vor meinem Computer und bin verzweifelt, wie ich es schaffen soll, dass sie endlich zusammen kommen. Ein paar Dinge sind mir dabei aufgefallen, die ich gerne mit dir teilen möchte.

Welche Art von Liebenden sollen es sein?

Das ist eine Frage, mit der du dich schon im Plotting beschäftigen solltest. Eine Art, die du nicht magst, wirst du auch nur schwer schreiben können. Also überlege dir, was du gerne liest. Eine kurze Liste an Arten, die mir eingefallen sind (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
From friends to Lovers. Zwei Personen kennen sich schon ewig und sind (sehr) gute Freunde. Diese Beziehung fundiert vor allem auf ihrer gemeinsamen Vergangenheit, dem Vertrauen und dem Verständnis füreinander. Die Schwierigkeit ist jedoch, sich diese Gefühle einzugestehen, weil man die Freundschaft nicht kaputt machen will.
Die verbotene Beziehung. Verbotenes reizt. Mit dieser Prämisse spielt die verbotene Beziehung. Warum es verboten ist, kannst du dir selbst überlegen. Das Prickelnde des Verbotenen ist hier eine der wichtigsten Punkte und auch die Frage, was getan wird, damit die Beziehung nicht auffliegt.
Verfeindete Liebende. Zwei Personen, die sich (auf den Tod) nicht leiden können, doch plötzlich passiert etwas. Sie müssen sich zusammen tun, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen oder finden durch Zufall heraus, dass sie doch nicht so unterschiedlich sind. Den Reiz macht vor allem aus, dass sich der Charakter nicht entscheiden kann, ob er jetzt den anderen liebt oder hasst und sich der Gefühle des anderen nicht sicher ist.
Langsam entwickelnd. Wie der Name schon sagt, entwickelt sich diese Beziehung nur sehr langsam. Das ist vor allem in Geschichten so, wenn der Fokus nicht auf der Liebe und der Beziehung ist oder die Charaktere sich nicht ständig sehen.
Hals über Kopf. Vor allem Romace-Bücher spielen gerne mit der Liebe auf den ersten Blick. Man sieht einen anderen und ist völlig hin und weg. Dieses Prinzip ist auch auf die gesamte Beziehung anzuwenden. Nach wenigen Tagen ziehen die Charaktere zusammen, nach ein paar Monaten heiraten sie… Es ist das Gegenstück zu der langsamen Entwicklung.
Habe ich eine Art vergessen? Schreib sie mir.

Wenn du weißt, welche der Arten zu schreiben willst – Mischarten sind auch kein Problem – kannst du mit dem Schreiben loslegen.

Aber wie kommen sie jetzt zusammen?

Das kann bei jeder Art anders sein, doch ein paar Sachen funktionieren immer:
Die Romantik. Vorausgesetzt natürlich, dass keiner der Charaktere Romantik hasst. Doch bei Kerzenschein, mit romantischer Musik im Hintergrund zu essen, lässt vermutlich viele Herzen schmelzen. Dabei ist es jedoch wichtig, dass die Romantikvorstellung zu deinen Charakteren passt.
Die Lebensgefahr. Wenn ich ehrlich bin, ist das Verkuppeln durch Lebensgefahr eine meiner liebsten Arten. Es ist eine Situation völliger Anspannung gefüllt mit Adrenalin. Beiden wird im Angesichts des drohenden Todes klar, wie viel sie sich gegenseitig bedeuten. Das Geständnis sich selbst und gegenüber dem anderen kommt dann meistens sehr schnell von allein.
Der Streit. Theoretisch kann man es als abgeschwächte Form der Lebensgefahr sehen. Wenn die zwei Personen sich richtig in den Haaren haben, kann die Angst um die Beziehung/Freundschaft das leitende Motiv der Szene sein.
Das Fundament. Über ein gemeinsames Fundament z.B. durch gemeinsame Interessen lässt es sich einfach verkuppeln. Zwei Personen, die sich in einem Buchclub kennenlernen, haben gleich etwas, worüber sie reden können. Genau so ist es auch mit einer gemeinsamen Backstory. Irgendetwas muss die beiden nachhaltig Charaktere verbinden.
Gemeinsame Schwierigkeiten. Kaum etwa schweißt so sehr zusammen, wie das Überwinden gemeinsamer Schwierigkeiten. Dabei ist wichtig, dass die beiden zusammenarbeiten, sich gegenseitig vertrauen und aufeinander angewiesen sind. Dabei haben sie außerdem eine Gelegenheit, sich näher kennenzulernen und zu verstehen, warum sie zueinander passen.

Das sind meine Tipps zum Verkuppeln von Figuren. Wenn du noch mehr kennst, lass sie mich gerne wissen! 🙂
Eine letzte wichtige Sache: Ende des Buches ist nicht das Ende der Liebesgeschichte!

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Wie ich plotte

Die Vorbereitung eines Buches ist mit das Wichtigste, womit sich ein Autor beschäftigt. Wie wichtig es wirklich ist, merkt man oftmals erst, mitten im Schreiben, wenn man auf Plotholes stößt oder nicht mehr weiß, wie es weitergeht. Um sowas zu vermeiden, ist es wichtig, sich ausreichend vorzubereiten. Doch genau so wie jedes Buch anders ist, ist auch jede Vorbereitung anders. In meinem Blogartikel darüber, wie ich vorbereite, habe ich bereits einmal einen allgemeinen Vorbereitungsüberblick gegeben. Dieses Mal fokussierte ich mich jedoch darauf, wie ich meine Geschichten plane.

In meinem Vorbereitungsüberblick bin ich bereits auf verschiedene Arten des Plottings eingegangen. Auch wenn es gefühlt unzählig viele gibt, bin ich von einer absolut überzeugt: der 3-9-27 Methode. (Falls du diese Methode nicht kennst, kannst du sie hier nachlesen.)

Mein erster Schritt ist das Ausarbeiten der Idee. Ideen kommen mir immer und überall, aber nicht jede Idee ist dafür geeignet, geschrieben zu werden. Habe ich eine Idee, die ich gut finde und mit der ich arbeiten möchte, versuche ich aus dem Wirr Warr ein bis drei wichtige Personen zu extrahieren. Meistens baue ich den Charakter (teils mit, teils ohne Backstory) vor dem eigentlichen Plotting-Beginn. Habe ich die Charaktere setze ich sie in verschiedene Szenarien und schaue, wie sie sich verhalten. Dieses Szenen-Brainstorming ist mein erster Schritt und funktioniert nicht nur mit den Charakteren, sondern auch mit dem Setting und der Frage, was in dieser Welt alles möglich wäre.

Habe ich das Brainstorming abgeschlossen, habe ich eine ganze Liste an Szenen, die eventuell cool wären und die ich gerne schreiben will. Doch bevor ich an den eigentlichen Plot-Plan gehe, schaue ich mir die Szenen nochmals genauer an und sortiere aus, welche mit meiner Ursprungsidee nicht mehr viel gemein haben oder doch nicht zu den Charakteren passen. Die Szenen des Aussortierens schmeiße ich jedoch nicht weg, sondern behalte sie für andere Projekte oder einen möglichen zweiten Teil im Hinterkopf.

Der nächste Schritt ist die Zuordnung. Bei der 3-9-27 Methode hat jedes Kapitel eine bestimmte Funktion. Mein Szenenplan ist an diesem Punkt sehr zerstückelt, hat jedoch schon eine grobe Struktur.

Im nächsten Schritt werden die Lücken gefüllt.
Was muss passieren, damit die Charaktere von der einen zur anderen Szene gelangen? Welche Lücken haben die Szenen an sich? Welche Szenen passen vielleicht doch nicht in den Gesamtzusammenhang, sind störend oder zu viel? Welche Szenen muss ich dramatischer oder weniger dramatisch machen? … Anhand diesen und ähnlichen Fragen gehe ich nach und nach den Plot durch und arbeite mit jeder Szene an sich. Sie wird angepasst, so weit das nötig ist.

Wie genau dieser Plan ist, ist jeden Autor selbst überlassen. Ich mag es, wenn vor allem der Anfang sehr fest geplant ist, es jedoch zum Ende hin viele Lücken gibt. Bei mir füllen sich diese Lücken von alleine, weil meine Charaktere plötzlich sagen: „Hey, wir wollen noch … machen.“ In meinem letzten NaNo-Projekt bin ich ohne einen Plan für Block 8 an sich gestartet und es hat sehr gut funktioniert, weil diese Lücke von meinen Charakteren gefüllt wurde. Das ist jedoch eine Geschmacksfrage, ob man das will oder nicht. Es ist jedoch wichtig, dass du die Methode findest, mit der du arbeiten kannst, denn es ist dein Buch!

Nochmals in aller Kürze: Szenen brainstormen, aussortieren, zuordnen, Lücken füllen und Szenen anpassen 🙂

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Gastbeitrag: Plotting Holes – Überraschungen beim Schreiben

Nun sitzt man da, hat Stunden in die Planung seines Buches investiert und plötzlich taucht es auf: das Plotting Hole – etwas, das man nicht planen konnte und alles auf den Kopf stellt. Man bekommt das Gefühl, alles über den Haufen werfen und neu anzufangen zu müssen. Discovery Writern (Autoren, die wenig plotten) passiert das verhältnismäßig oft, aber auch Plotting-Meister sind vor Überraschungen nicht gefeit. Hier fünf Plotting Holes und wie man mit Schwung drüber springt.

Der spontane Genrewechsel

Eigentlich wollte man einen Krimi im 18ten Jahrhundert schreiben, aber die Zeit ist so faszinierend, dass man einen Historienroman schreibt. Oder die Außerirdischen in dem geplanten Science-Fiction-Buch sind unheimlicher als geplant, sodass man sich mit einem Mal in einem Horrorroman befindet.
Dass Bücher mehr als ein Genre bedienen, ist nicht ungewöhnlich, aber es ist sinnvoll, sich für ein dominierendes Genre zu entscheiden. An einen Krimi habe ich andere Erwartungen als an einen Historienroman und an einen Horrorroman habe ich andere Erwartungen als an einen Science-Fiction-Roman.

Was also tun?

Erstmal solltest du dich fragen, ob es sinnvoll ist, das Genre zu wechseln. Wenn du das ursprüngliche Genre behalten möchtest, kannst du sprachlich zurückfinden. Wenn die Aliens in dem Science-Fiction-Buch angsteinflößend sind, ist das in Ordnung. Es macht aber einen Unterschied, ob ich in einen düsteren Raum voller Schrecken trete oder in einen Raum voller cooler Tech, die mir helfen kann die Aliens zu besiegen.
Das gilt auch, wenn du das Genre wechseln möchtest. Dann bleibt dir nichts anderes übrig, als die ersten Kapitel zu überarbeiten. Manchmal genügt es, die Geschichte mit Elementen des Hauptgenres anzureichern oder einzelne Abschnitte umzuschreiben.
Tipp: Schreibe das (Haupt-)Genre und seine Elemente auf ein Blatt und lege es neben deine Tastatur, um Genrewechsel vorzubeugen.

Der Protagonist entwickelt einen eigenen Willen

Man ist in der Geschichte versunken und sieht die Welt aus den Augen des Protagonisten, doch plötzlich verfolgt der Protagonist eigene Ziele. Die Wege zwischen geplotteter und erzählter Geschichte trennen sich und alles versinkt im Chaos.
Es ist beim Schreiben wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen, was das Ziel des Protagonisten ist. Ich habe einen Zettel neben der Tastatur liegen, auf dem ich die Motivation meiner Charaktere notiert habe. Gefeit ist man vor diesem Eigenleben trotzdem nicht.

Was also tun?

Motivationsänderungen in Büchern sind schwierig. Im Idealfall greift das Ende den Anfang auf. Deswegen solltest du dich fragen, ob das neue oder das ursprüngliche Ziel zu deinem Thema passt. Wenn es das ursprüngliche Ziel ist, solltest du die letzten Schritte zurückverfolgen und schauen, an welcher Stelle du vom Weg abgekommen bist. Es hilft, sich eine kurze Kausalkette zu skizzieren.
Passt das neue Ziel besser zu dem Thema, solltest du den Anfang anpassen. Auch da hilft es, eine Kausalkette zu skizzieren und davon ausgehend zu analysieren, was zu ändern ist.
Tipp: Schreibe eine Liste mit den wichtigsten Charakteren und beschreibe ihre Motivation. Lege den Zettel neben den Genrezettel.

Die Namensfindungsstörung

Die Namen von Figuren beeinflussen, wie man diese wahrnimmt. Dasselbe gilt für Orte. Wenn mein Superheld Tiny heißt, stelle ich mir keinen Bodybuilder vor. Bei einer Stadt namens Glass sehe ich keine Betonwüste vor meinem inneren Auge. Manchmal braucht man eine Weile, bis man den richtigen Namen gefunden hat. Manchmal glaubt man ihn gefunden zu haben und plötzlich hat man eine bessere Idee.
„Suchen und Ersetzen“ wäre die einfachste Antwort, die aber Risiken birgt. Will ich Tiny in Biggy umbenennen und habe ein paar Mal Tiny mit „i“ statt „y“ geschrieben, wird nicht jede zu ändernde Stelle gefunden. Ungünstig ist das insbesondere, wenn man den Namen mehrfach ändert.

Was also tun?

Am besten du schmeißt nicht gleich alles um, sondern probierst den Namen eine Weile aus. Schreib ein paar Seiten damit. Anpassen kannst du immer noch, wenn du fertig bist. Den Trick kannst du auch anwenden, wenn dir kein Name einfällt. Probiere einige Namen aus. Beim Schreiben wirst du schnell merken, ob ein Name passt.

Das Ende ist nah, aber 200 Seiten sind zu wenig/aber 600 Seiten sind zu viel

Die Länge eines Textes kann man schwer plotten. Erfahrungswerte helfen, aber kein Autor weiß vor Beginn des Schreibens, wie viele Wörter der Text am Ende haben wird. Manchmal erzählt sich eine Geschichte schneller und manchmal langsamer, als man denkt.
Es gibt Richtwerte für Romanlängen, aber sie sind keine Gesetze. Trotzdem ist es schwierig einen Roman unter 200 Seiten und über 600 Seiten verlegen zu lassen.

Was also tun?

Erstmal zu Ende schreiben. Kurz vor Ende sollte man nicht alles umschmeißen. Das ist demotivierend und selten von Erfolgt gekrönt.
Wenn du fertig bist, solltest du dich fragen, warum dein Buch so kurz oder lang ist. Wenn es zu kurz ist, kann es sein, dass du zu wenig beschrieben hast und wenn es zu lang ist, hast du das vielleicht zu exzessiv betrieben. Das kann man beim Überarbeiten gut anpassen. Tatsächlich ändert sich die Länge beim Überarbeiten noch einmal.
Zu kurze Bücher kannst auch du mit einem kleinen Nebenplot anreichern.
Aber Achtung! Das birgt die Gefahr vom Thema abzukommen.
Wenn du denkst, dein Buch ist stimmig, kannst du einen Testleser hinzuziehen, um dir sicher zu sein.
Ansonsten: Mut zur Kürze/Länge. Das wichtigste ist, dass man von seinem Buch überzeugt ist.

Und zu guter Letzt…

Ein Plotbunny hoppelt vorbei

Jeder kennt es. Man schreibt und plötzlich hat man DIE IDEE. Dabei kann DIE IDEE eine Idee für einen neuen Roman sein oder etwas sein, das später im Buch passieren soll. Das Plotbunny beißt sich fest und man hat das Gefühl, die Idee direkt umsetzen zu müssen. Konzentration für das aktuelle Projekt? Vergiss es.

Was also tun?

Plotbunnies kann man nicht vermeiden und schon gar nicht ignorieren. Am besten du gibst ihm ein wenig nach. Zum Beispiel könntest du die Idee für den neuen Roman aufschreiben. Manchmal hilft es, schon konkret zu planen, wann man seine Idee umsetzen will. Dasselbe gilt natürlich auch für spätere Kapitel. Die kann man gut in die Plotskizze integrieren.
Wenn das Plotbunny trotzdem nicht loslässt, liegt das Problem woanders. Vielleicht bist du in deinem aktuellen Projekt vor eine Wand gelaufen oder befindest dich in einer Sinnkrise. Statt dem Plotbunny durchs Kaninchenloch zu folgen, solltest du dir eine Auszeit nehmen. Nimm ein Bad, gehe spazieren oder widme dich eine Weile einem anderen Hobby. Wenn du entspannt bist, zieht sich das Plotbunny zurück und wartet auf seinen nächsten Einsatz. Der kommt bestimmt.

Über die Autorin: Katharina Kanzan glaubt, dass Katzen die Welt regieren und Lebensläufe gerne kreativ gestaltet sein können. Daher hat sie alles Mögliche studiert und gelernt. Mittlerweile kritzelt sie beruflich Bedienungsanleitungen und privat am liebsten Artikel, Kurzgeschichten und Gedichte. Vereinzelte Sachen findet man in Anthologien und Zeitschriften, das meiste aber auf ihrem Blog.

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Gastbeitrag: Lesen nein, schreiben… vielleicht doch? Die Crux mit dem Genre

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein tüchtiges Schreiberlein auch ein begeisterter Bücherwurm sein muss. Das sagen schließlich alle, die als Schriftsteller*innen Erfolg haben – in einer Einmütigkeit, dass man schon gar nicht mehr weiß, wer diesen Vater aller Schreibtipps eigentlich erfunden hat. Vielleicht musste ihn auch niemand erfinden, und er ist eben das: eine allgemein anerkannte Wahrheit.
Selbst J.K. Rowling, die sich bei Schreibtipps sehr vorsichtig bis skeptisch gibt, lässt sich zu einem ziemlich plakativen Satz hinreißen: „You can’t be a good writer without being a devoted reader.“
Und ich will auch gar nicht bestreiten, dass Lesen für ziemlich viele Dinge, die ein Schreiberlein haben oder irgendwann entwickeln sollte, ziemlich nützlich ist: Von grundlegenden Kenntnissen in Satzbau und Grammatik bis zu dem sich langsam aufbauenden Gespür für den Effekt einzelner Wörter und den Fluss der Sätze, für Eleganz, Aufrichtigkeit in der Darstellung und den Schock am rechten Platz. Um das zu lernen, ist es eigentlich ziemlich egal, was man liest, solange man aufmerksam und mit allen Sinnen liest.
Aber wie sieht es mit dem Faktor Genre aus? Lernt man beim Lesen auch, wie man ein Genre schreibt? Muss man nicht sogar im eigenen Genre belesen sein?
Für viele stellt sich die Frage gar nicht, und auch für mich hat sie sich lange nicht gestellt.
Einmal, weil ich noch gar nicht mal so alt bin, und als Jugendliche sehr unbedarft gelesen habe. Ich wusste zwar irgendwie, dass die meisten Sachen, die mich interessieren, in dem Regal in der Buchhandlung stehen, das den ominösen Titel „Fantasy“ trägt. Aber die ganzen feinen Unterscheidungen in High, Low, Contemporary, Urban und was-weiß-ich-nicht-für eine Fantasy und Romantasy – für die bin ich erst sensibilisiert worden, als Lesen mehr als nur eine Selbstverständlichkeit wurde, als ich entdeckt habe, dass es da eine eifrig diskutierende Community gibt, die natürlich Kategorien braucht, um über die Dinge überhaupt erst diskutieren zu können. Im Nachhinein kann ich also sagen: Was ich so lese, ist vor allem High Fantasy und Urban Fantasy (und wildes anderes Zeug, nach dem ich nicht suche, worauf ich aber mit der Nase hinstoße).
Aber schon bevor ich ein Verständnis von Genre hatte, hat Genre natürlich immer mein Schreiben geprägt, auch wenn es mir nicht in dem Ausmaß bewusst war, wie heute. Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas geschrieben zu haben, in dem nicht das Übernatürliche irgendeine Rolle gespielt hat. Drachen, Elfen und Zwerge bevölkern schon immer meine Welten mit phantastischen, immer auf –a endenden Städtenamen, wie sie die Bücher bevölkern, die ich gelesen habe. Natürlich sind meine Geschichten gewissen grundlegenden Plots, wie der Queste und der Heldenreise oder der Heldenwanderung, so natürlich gefolgt, als gäbe es keine anderen Arten, Geschichten zu erzählen. (Und eigentlich überhaupt keine anderen Geschichten. Und wenn, dann sind die nichts für mich.) Fantasy, also Urban und High Fantasy, ist meine schriftstellerische Komfortzone, das, was ich liebe und wo ich das Gefühl habe: „Hier kenne ich mich aus.“
Aber Moment. Was bedeutet das eigentlich: „Ich kenne mich aus“?
Ich glaube, es bedeutet Positives und Negatives.
Was das bedeutet, merke ich gerade an zwei neuen Projekten, die die Frechheit besessen haben, meine klassischen Vorlieben zu sprengen. Das eine, das gerade auf der Tagesordnung steht, ist eine eher für Jugendliche gedachte Geschichte, die während der georgianischen Zeit in England spielt, und, surprise, surprise, magische Elemente enthält. Das Gehirnareal für Genre-Einteilung, das ich jetzt nur noch schwer stoppen kann, ordnet ein: Historische Fantasy. Im Schreibnacht-Forum um Rat fragend, hat sich ergeben: Steampunk klappt als Label wohl auch ganz gut.

Problem: Ich habe genau 0 Werke historische Fantasy gelesen. Und genau ein Steampunk-Werk (His Dark Materials).
Ich kenne mich also nicht aus. Keine Ahnung, was so typischerweise die Ästhetik von historischer Fantasy und von Steampunk aussieht. Keine Ahnung, welche Arten von Magie da vorstellbar sind. Keine Ahnung, ob und wenn ja: was für magische Wesen solche historischen Dampf- und Zahnradwelten bevölkern.
Ist doch gut, oder? Ich bin quasi unbelastet von der Klischee-Kiste, die jedes Genre mit sich schleppt. Einerseits ja. Andererseits ist mein drängendstes Problem tatsächlich genau das: Ich habe keine Ahnung, ob es nicht schon Werke gibt, die viel zu ähnlich zu meinem sind. (Erste Ideen zu einem Thema sind ja oft ziemlich naheliegende und banale Ideen.) Vielleicht fühlt sich mein Projekt nur für mich so frisch und unverbraucht an, weil ich quasi das erste historische Fantasy-Werk, das ich lese, selbst schreibe. Meine Landkarte auf diesem Gebiet ist leer, ich kann also nur überrascht werden – wo andere vielleicht schon längst gelangweilt gähnen.
Das ist aber eben auch das Aufregende, dass ich keine Standardlösungen kenne (außer die, die es in „meinen“ Genres gibt). Das heißt zunächst einfach nur, ich kenne keine Standardlösungen, nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht verwende ich dann keine. Vielleicht verwende ich aber auch die allerabgedroschensten und merke es nicht einmal, einfach, weil sie naheliegend sind.

Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man eine von Berty Bott’s Bohnen jeglicher Geschmacksrichtung essen. Bei meinem aktuellen Projekt kann jetzt, gefühlt, wirklich alles herauskommen: entweder abgedroschener Kitsch oder etwas ganz Neues, oder, wahrscheinlicher, eine wilde Mischung von beidem. (Wovor ich ehrlich gesagt am meisten Angst habe, ist, dass es eine billige Übertragung aus „meinen“ Genres in ein neues Setting wird.)
In jedem Fall lässt einen das Schreiben in einem Genre, das man selbst nicht liest, ein paar Filter im Gehirn – einfach weglassen. Das finde ich gerade enorm aufregend. Und deshalb lasse ich mir gerade einfach mal den Spaß, Bohnen zu futtern, von deren Geschmack ich keine Ahnung habe. Mal sehen, was dabei herauskommt. Vielleicht einfach die gute, alte Vanille – vielleicht aber zur Abwechslung auch mal Seegurke.
Dass es in jedem Fall trotzdem eine feine, eigene Note von mir selbst tragen wird, darauf vertraue ich einfach.

Und wie steht’s bei euch? Würdet ihr es wagen, ein Genre zu schreiben, das ihr nicht lest? Habt ihr es schon einmal gewagt? Welchen Geschmack hatte eure Bohne?

Über die Autorin: Lea Sager wurde 1993 in Regensburg geboren und arbeitet dort als Kirchenhistorikerin. Die teils skurrilen Persönlichkeiten und Philosophien der Spätantike sind dabei immer wieder Zündfunken für Figuren und Geschichten, in denen man dem Übernatürlichen begegnet. Neben ersten eigenen Schreibversuchen ist hier auch ein Blog über phantastische Literatur im Aufbau.