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Gastbeitrag: Kreativität planen

Oft werde ich gefragt: Woher bekommst du eigentlich deine Ideen? Es wäre etwas kurz gegriffen auf die literarische Muse zu verweisen, die einen Autor bisweilen küsst – oder auch nicht – und von der alles stammt. Hin und wieder mag es auch dieser geniale Einfall sein, der aus dem Nichts zu kommen scheint, doch gemeinhin ist man, nach meiner Erfahrung, als Autor besser beraten, seinen Ideenstrom und seine Schöpferkraft zu planen und zu managen. Hundert Ideen auf einmal nützen fast genauso wenig wie keine Einzige über Wochen hinweg.
Um seine eigene Kreativität zu steuern, hilft es sehr, sich zunächst klar darüber zu sein, was menschliche Kreativität eigentlich ist und wo sie herkommt.

Im Gegensatz zum landläufigen Vorurteil, kommen die Ideen weder aus dem Nichts noch aus einem selbst. 99% der Einfälle, die wir Menschen auf den Tisch bringen, sind Kombinationen von bereits existierenden Dingen.

Dampfmaschine + Kutsche = Auto

… und dergleichen. Ob der menschliche Geist überhaupt zu dem 1% völlig originärer Ideen fähig ist, bleibt umstritten.

Das nimmt allerdings eine große Menge Druck von unseren Schultern. Wir müssen nicht die eine zündende, nie dagewesene Idee haben, die noch nie einer hatte. Es genügt, wenn wir bereits bekannte Elemente neu kombinieren, zusammenwürfeln und modifizieren. Schaut man sich die erfolgreichsten Serien und Filme der letzten Jahrzehnte an, erkennt man schnell, wie hier eigentlich nur gut kombiniert und spannend aufbereitet wurde.

Wenn es also nicht notwendig ist etwas völlig Neues aus dem Boden zu stampfen, kann ich Techniken gezielt anwenden, um Ergebnisse zu erhalten. Die bekannteste Technikgruppe dabei ist natürlich das »Brainstorming«. Wörter, Gedanken, lose Fetzen von Information, egal was das Gehirn anbietet, man kann es aufschreiben und dann Verbindungen suchen, Assoziationsketten bilden und auf diesem Weg zu einer neuen Idee gelangen. Das geht schnell und mit etwas Training spielerisch von der Hand. Mehrfach durchgeführt kann ich dann mit den Ergebnissen wieder neu assoziieren oder mir meinen besten Ansatz aussuchen, um damit weiter zu arbeiten.

Wenn man nach Arthur Köstler geht, kann man anstatt mit Assoziation auch mit Bisoziationen arbeiten – gezielte Suche nach Dingen, die nicht miteinander verbunden sind. Solche nicht verketteten Begriffe zu erhalten, kann mitunter sehr schwierig sein, weil unsere Gedanken nun einmal verbunden sein wollen. Wenn man aber bisher unverbundene Sachen zusammenbringt, kann das zu genialen Ideen führen.

Es gibt aber auch Hilfsmittel, die einem helfen können. Ich habe viele Ideen mit Rory’s Story Cubes entwickelt – ich habe inzwischen fast alle der kleinen Bildwürfel. Eigentlich sollen sie als Anregung zum Geschichtenerzählen für Kinder dienen, aber genauso gut kann man mit den Bildern Assoziationsketten bilden, die zu Handlungssträngen für einen Roman oder eine Kurzgeschichte werden.

Ähnlichen Effekt kann die Google-Bildersuche haben, denn eine detaillierte Abbildung erzählt oft jedem Betrachter eine andere Geschichte. Oder man schaut durch die Illustrationen in Bildbänden, Brettspielen und Concept Art für das Lieblingscomputerspiel. Und wollen einem trotz der Bilderflut keine Ideen kommen, kann man immer noch davon träumen.
Natürlich kann ich darauf hoffen, dass mir des Nachts im Traum das Bild wieder einfällt, und ich mich nach dem Aufwachen noch daran erinnern kann. Sicherer ist es allerdings, das Träumen auf den Tag zu verlegen. Bewusst in ein Bild eintauchen, sich vorstellen man steht in dem Gebäude, auf dem Berg oder zwischen diesen Kriegern, erlaubt es einem, von den eigenen Schritte zu träumen. Fragen zu stellen. Was ist wohl hinter dem Baum? Wohin komme ich, wenn ich diese Tür durchquere? Worum geht es in diesem Streit?

Je lockerer man an diese Fragen herangeht, je offener das eigene Unterbewusstsein mit den Bildern und Eindrücken arbeiten darf, umso freier und interessanter werden auch die Ideen. Und je häufiger man Tagträume dieser Art, kleine Traumreisen praktisch, durchführt, umso einfacher wird das Spiel und die Ideen fließen irgendwann von ganz allein.

Leider ist nicht jede Idee auch eine gute Idee. Oder sogar eine großartige. Viele Einfälle sind sogar schlecht, oder nur so lange gut, bis man ein zweites Mal darüber nachdenkt. Wie also die guten Ideen herausfiltern? Oder sogar die großartigen? Ein Patentrezept habe ich in den letzten Jahren zwar nicht gefunden, aber es gibt zwei Anzeichen für gute Ideen: Sie sind auch morgen noch gut und überleben den Kontakt mit anderen Menschen. Wenn man nach dem darüber-schlafen mit dem Geistesblitz noch etwas anfangen kann, ist das schon mal ein guter Indikator. Für den zweiten Schritt braucht man jedoch Hilfe.
Manche Autoren schrecken davor zurück, jemand anderen an den eigenen Ideen teilhaben zu lassen. Böswillig, wie die Menschen sind, könnten die Fremden ja den genialen neuen Ansatz einfach stehlen! Nach meiner Erfahrung ist diese Sorge jedoch völlig unbegründet: Die meisten Leute haben nicht das Durchhaltevermögen, um eine eigene Geschichte, einen Roman oder ein Drehbuch zu schreiben. Und die allermeisten Autoren sind voll mit eigenen Ideen und Projekten und haben keine Zeit auch noch die Ideen der anderen zu klauen. Also ruhig raus mit dem Einfall und im persönlichen Gespräch herausfinden, ob er was taugt.

Geistesblitze, Erleuchtungen, Inspiration – all das ist planbar und lässt sich steuern. Die richtigen Hilfsmittel für sich zu finden und die kreativen Muskeln zu trainieren, sind dabei logische Schritte auf dem Weg zum Ideenfeuerwerk. Wichtig ist, sich nicht davon einschüchtern zu lassen, dass, vor allem zu Beginn, die Gedanken noch nicht brillant und die Einfälle noch nicht einzigartig sind. Das kommt mit der Zeit und Übung. Und man muss nicht das Rad neu erfinden. Manchmal genügt es, wenn man Zauberer auf die Highschool schickt.

Über den Autor: Francis Bergen, 1984er Mathematiker und Autor aus Oberhausen, bezieht seine kreative Energie aus seiner unstillbaren Neugier. Seit er sich 2002 mit Rollenspielen auseinander zu setzen begann, schreibt er Kurzgeschichten und Gedichte aus einem breiten Genrespektrum. Sein erster Fantasyroman „Der steinige Weg Freiheit“ ist im August 2017 erschienen, seine Kurzgeschichten kann man auf seiner Webseite und in der einen oder anderen Anthologie lesen.
Mehr zu seiner Arbeit findest du hier.

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How To: Figuren verkuppeln

Es ist Valentinstag und Liebe liegt in der Luft – oder so ähnlich. Das Thema Liebe ist weit genug, um es in unendlichen Blogbeiträgen zu bearbeiten, doch einer nach den anderen. Kümmern wir uns erst einmal darum, dass am Valentinstag kein Charakter alleine sein muss 😉
Figuren zu verkuppeln ist nicht immer einfach. Ich saß schon etliche Male vor meinem Computer und bin verzweifelt, wie ich es schaffen soll, dass sie endlich zusammen kommen. Ein paar Dinge sind mir dabei aufgefallen, die ich gerne mit dir teilen möchte.

Welche Art von Liebenden sollen es sein?

Das ist eine Frage, mit der du dich schon im Plotting beschäftigen solltest. Eine Art, die du nicht magst, wirst du auch nur schwer schreiben können. Also überlege dir, was du gerne liest. Eine kurze Liste an Arten, die mir eingefallen sind (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
From friends to Lovers. Zwei Personen kennen sich schon ewig und sind (sehr) gute Freunde. Diese Beziehung fundiert vor allem auf ihrer gemeinsamen Vergangenheit, dem Vertrauen und dem Verständnis füreinander. Die Schwierigkeit ist jedoch, sich diese Gefühle einzugestehen, weil man die Freundschaft nicht kaputt machen will.
Die verbotene Beziehung. Verbotenes reizt. Mit dieser Prämisse spielt die verbotene Beziehung. Warum es verboten ist, kannst du dir selbst überlegen. Das Prickelnde des Verbotenen ist hier eine der wichtigsten Punkte und auch die Frage, was getan wird, damit die Beziehung nicht auffliegt.
Verfeindete Liebende. Zwei Personen, die sich (auf den Tod) nicht leiden können, doch plötzlich passiert etwas. Sie müssen sich zusammen tun, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen oder finden durch Zufall heraus, dass sie doch nicht so unterschiedlich sind. Den Reiz macht vor allem aus, dass sich der Charakter nicht entscheiden kann, ob er jetzt den anderen liebt oder hasst und sich der Gefühle des anderen nicht sicher ist.
Langsam entwickelnd. Wie der Name schon sagt, entwickelt sich diese Beziehung nur sehr langsam. Das ist vor allem in Geschichten so, wenn der Fokus nicht auf der Liebe und der Beziehung ist oder die Charaktere sich nicht ständig sehen.
Hals über Kopf. Vor allem Romace-Bücher spielen gerne mit der Liebe auf den ersten Blick. Man sieht einen anderen und ist völlig hin und weg. Dieses Prinzip ist auch auf die gesamte Beziehung anzuwenden. Nach wenigen Tagen ziehen die Charaktere zusammen, nach ein paar Monaten heiraten sie… Es ist das Gegenstück zu der langsamen Entwicklung.
Habe ich eine Art vergessen? Schreib sie mir.

Wenn du weißt, welche der Arten zu schreiben willst – Mischarten sind auch kein Problem – kannst du mit dem Schreiben loslegen.

Aber wie kommen sie jetzt zusammen?

Das kann bei jeder Art anders sein, doch ein paar Sachen funktionieren immer:
Die Romantik. Vorausgesetzt natürlich, dass keiner der Charaktere Romantik hasst. Doch bei Kerzenschein, mit romantischer Musik im Hintergrund zu essen, lässt vermutlich viele Herzen schmelzen. Dabei ist es jedoch wichtig, dass die Romantikvorstellung zu deinen Charakteren passt.
Die Lebensgefahr. Wenn ich ehrlich bin, ist das Verkuppeln durch Lebensgefahr eine meiner liebsten Arten. Es ist eine Situation völliger Anspannung gefüllt mit Adrenalin. Beiden wird im Angesichts des drohenden Todes klar, wie viel sie sich gegenseitig bedeuten. Das Geständnis sich selbst und gegenüber dem anderen kommt dann meistens sehr schnell von allein.
Der Streit. Theoretisch kann man es als abgeschwächte Form der Lebensgefahr sehen. Wenn die zwei Personen sich richtig in den Haaren haben, kann die Angst um die Beziehung/Freundschaft das leitende Motiv der Szene sein.
Das Fundament. Über ein gemeinsames Fundament z.B. durch gemeinsame Interessen lässt es sich einfach verkuppeln. Zwei Personen, die sich in einem Buchclub kennenlernen, haben gleich etwas, worüber sie reden können. Genau so ist es auch mit einer gemeinsamen Backstory. Irgendetwas muss die beiden nachhaltig Charaktere verbinden.
Gemeinsame Schwierigkeiten. Kaum etwa schweißt so sehr zusammen, wie das Überwinden gemeinsamer Schwierigkeiten. Dabei ist wichtig, dass die beiden zusammenarbeiten, sich gegenseitig vertrauen und aufeinander angewiesen sind. Dabei haben sie außerdem eine Gelegenheit, sich näher kennenzulernen und zu verstehen, warum sie zueinander passen.

Das sind meine Tipps zum Verkuppeln von Figuren. Wenn du noch mehr kennst, lass sie mich gerne wissen! 🙂
Eine letzte wichtige Sache: Ende des Buches ist nicht das Ende der Liebesgeschichte!

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Wie ich plotte

Die Vorbereitung eines Buches ist mit das Wichtigste, womit sich ein Autor beschäftigt. Wie wichtig es wirklich ist, merkt man oftmals erst, mitten im Schreiben, wenn man auf Plotholes stößt oder nicht mehr weiß, wie es weitergeht. Um sowas zu vermeiden, ist es wichtig, sich ausreichend vorzubereiten. Doch genau so wie jedes Buch anders ist, ist auch jede Vorbereitung anders. In meinem Blogartikel darüber, wie ich vorbereite, habe ich bereits einmal einen allgemeinen Vorbereitungsüberblick gegeben. Dieses Mal fokussierte ich mich jedoch darauf, wie ich meine Geschichten plane.

In meinem Vorbereitungsüberblick bin ich bereits auf verschiedene Arten des Plottings eingegangen. Auch wenn es gefühlt unzählig viele gibt, bin ich von einer absolut überzeugt: der 3-9-27 Methode. (Falls du diese Methode nicht kennst, kannst du sie hier nachlesen.)

Mein erster Schritt ist das Ausarbeiten der Idee. Ideen kommen mir immer und überall, aber nicht jede Idee ist dafür geeignet, geschrieben zu werden. Habe ich eine Idee, die ich gut finde und mit der ich arbeiten möchte, versuche ich aus dem Wirr Warr ein bis drei wichtige Personen zu extrahieren. Meistens baue ich den Charakter (teils mit, teils ohne Backstory) vor dem eigentlichen Plotting-Beginn. Habe ich die Charaktere setze ich sie in verschiedene Szenarien und schaue, wie sie sich verhalten. Dieses Szenen-Brainstorming ist mein erster Schritt und funktioniert nicht nur mit den Charakteren, sondern auch mit dem Setting und der Frage, was in dieser Welt alles möglich wäre.

Habe ich das Brainstorming abgeschlossen, habe ich eine ganze Liste an Szenen, die eventuell cool wären und die ich gerne schreiben will. Doch bevor ich an den eigentlichen Plot-Plan gehe, schaue ich mir die Szenen nochmals genauer an und sortiere aus, welche mit meiner Ursprungsidee nicht mehr viel gemein haben oder doch nicht zu den Charakteren passen. Die Szenen des Aussortierens schmeiße ich jedoch nicht weg, sondern behalte sie für andere Projekte oder einen möglichen zweiten Teil im Hinterkopf.

Der nächste Schritt ist die Zuordnung. Bei der 3-9-27 Methode hat jedes Kapitel eine bestimmte Funktion. Mein Szenenplan ist an diesem Punkt sehr zerstückelt, hat jedoch schon eine grobe Struktur.

Im nächsten Schritt werden die Lücken gefüllt.
Was muss passieren, damit die Charaktere von der einen zur anderen Szene gelangen? Welche Lücken haben die Szenen an sich? Welche Szenen passen vielleicht doch nicht in den Gesamtzusammenhang, sind störend oder zu viel? Welche Szenen muss ich dramatischer oder weniger dramatisch machen? … Anhand diesen und ähnlichen Fragen gehe ich nach und nach den Plot durch und arbeite mit jeder Szene an sich. Sie wird angepasst, so weit das nötig ist.

Wie genau dieser Plan ist, ist jeden Autor selbst überlassen. Ich mag es, wenn vor allem der Anfang sehr fest geplant ist, es jedoch zum Ende hin viele Lücken gibt. Bei mir füllen sich diese Lücken von alleine, weil meine Charaktere plötzlich sagen: „Hey, wir wollen noch … machen.“ In meinem letzten NaNo-Projekt bin ich ohne einen Plan für Block 8 an sich gestartet und es hat sehr gut funktioniert, weil diese Lücke von meinen Charakteren gefüllt wurde. Das ist jedoch eine Geschmacksfrage, ob man das will oder nicht. Es ist jedoch wichtig, dass du die Methode findest, mit der du arbeiten kannst, denn es ist dein Buch!

Nochmals in aller Kürze: Szenen brainstormen, aussortieren, zuordnen, Lücken füllen und Szenen anpassen 🙂

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Gastbeitrag: Lesen nein, schreiben… vielleicht doch? Die Crux mit dem Genre

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein tüchtiges Schreiberlein auch ein begeisterter Bücherwurm sein muss. Das sagen schließlich alle, die als Schriftsteller*innen Erfolg haben – in einer Einmütigkeit, dass man schon gar nicht mehr weiß, wer diesen Vater aller Schreibtipps eigentlich erfunden hat. Vielleicht musste ihn auch niemand erfinden, und er ist eben das: eine allgemein anerkannte Wahrheit.
Selbst J.K. Rowling, die sich bei Schreibtipps sehr vorsichtig bis skeptisch gibt, lässt sich zu einem ziemlich plakativen Satz hinreißen: „You can’t be a good writer without being a devoted reader.“
Und ich will auch gar nicht bestreiten, dass Lesen für ziemlich viele Dinge, die ein Schreiberlein haben oder irgendwann entwickeln sollte, ziemlich nützlich ist: Von grundlegenden Kenntnissen in Satzbau und Grammatik bis zu dem sich langsam aufbauenden Gespür für den Effekt einzelner Wörter und den Fluss der Sätze, für Eleganz, Aufrichtigkeit in der Darstellung und den Schock am rechten Platz. Um das zu lernen, ist es eigentlich ziemlich egal, was man liest, solange man aufmerksam und mit allen Sinnen liest.
Aber wie sieht es mit dem Faktor Genre aus? Lernt man beim Lesen auch, wie man ein Genre schreibt? Muss man nicht sogar im eigenen Genre belesen sein?
Für viele stellt sich die Frage gar nicht, und auch für mich hat sie sich lange nicht gestellt.
Einmal, weil ich noch gar nicht mal so alt bin, und als Jugendliche sehr unbedarft gelesen habe. Ich wusste zwar irgendwie, dass die meisten Sachen, die mich interessieren, in dem Regal in der Buchhandlung stehen, das den ominösen Titel „Fantasy“ trägt. Aber die ganzen feinen Unterscheidungen in High, Low, Contemporary, Urban und was-weiß-ich-nicht-für eine Fantasy und Romantasy – für die bin ich erst sensibilisiert worden, als Lesen mehr als nur eine Selbstverständlichkeit wurde, als ich entdeckt habe, dass es da eine eifrig diskutierende Community gibt, die natürlich Kategorien braucht, um über die Dinge überhaupt erst diskutieren zu können. Im Nachhinein kann ich also sagen: Was ich so lese, ist vor allem High Fantasy und Urban Fantasy (und wildes anderes Zeug, nach dem ich nicht suche, worauf ich aber mit der Nase hinstoße).
Aber schon bevor ich ein Verständnis von Genre hatte, hat Genre natürlich immer mein Schreiben geprägt, auch wenn es mir nicht in dem Ausmaß bewusst war, wie heute. Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas geschrieben zu haben, in dem nicht das Übernatürliche irgendeine Rolle gespielt hat. Drachen, Elfen und Zwerge bevölkern schon immer meine Welten mit phantastischen, immer auf –a endenden Städtenamen, wie sie die Bücher bevölkern, die ich gelesen habe. Natürlich sind meine Geschichten gewissen grundlegenden Plots, wie der Queste und der Heldenreise oder der Heldenwanderung, so natürlich gefolgt, als gäbe es keine anderen Arten, Geschichten zu erzählen. (Und eigentlich überhaupt keine anderen Geschichten. Und wenn, dann sind die nichts für mich.) Fantasy, also Urban und High Fantasy, ist meine schriftstellerische Komfortzone, das, was ich liebe und wo ich das Gefühl habe: „Hier kenne ich mich aus.“
Aber Moment. Was bedeutet das eigentlich: „Ich kenne mich aus“?
Ich glaube, es bedeutet Positives und Negatives.
Was das bedeutet, merke ich gerade an zwei neuen Projekten, die die Frechheit besessen haben, meine klassischen Vorlieben zu sprengen. Das eine, das gerade auf der Tagesordnung steht, ist eine eher für Jugendliche gedachte Geschichte, die während der georgianischen Zeit in England spielt, und, surprise, surprise, magische Elemente enthält. Das Gehirnareal für Genre-Einteilung, das ich jetzt nur noch schwer stoppen kann, ordnet ein: Historische Fantasy. Im Schreibnacht-Forum um Rat fragend, hat sich ergeben: Steampunk klappt als Label wohl auch ganz gut.

Problem: Ich habe genau 0 Werke historische Fantasy gelesen. Und genau ein Steampunk-Werk (His Dark Materials).
Ich kenne mich also nicht aus. Keine Ahnung, was so typischerweise die Ästhetik von historischer Fantasy und von Steampunk aussieht. Keine Ahnung, welche Arten von Magie da vorstellbar sind. Keine Ahnung, ob und wenn ja: was für magische Wesen solche historischen Dampf- und Zahnradwelten bevölkern.
Ist doch gut, oder? Ich bin quasi unbelastet von der Klischee-Kiste, die jedes Genre mit sich schleppt. Einerseits ja. Andererseits ist mein drängendstes Problem tatsächlich genau das: Ich habe keine Ahnung, ob es nicht schon Werke gibt, die viel zu ähnlich zu meinem sind. (Erste Ideen zu einem Thema sind ja oft ziemlich naheliegende und banale Ideen.) Vielleicht fühlt sich mein Projekt nur für mich so frisch und unverbraucht an, weil ich quasi das erste historische Fantasy-Werk, das ich lese, selbst schreibe. Meine Landkarte auf diesem Gebiet ist leer, ich kann also nur überrascht werden – wo andere vielleicht schon längst gelangweilt gähnen.
Das ist aber eben auch das Aufregende, dass ich keine Standardlösungen kenne (außer die, die es in „meinen“ Genres gibt). Das heißt zunächst einfach nur, ich kenne keine Standardlösungen, nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht verwende ich dann keine. Vielleicht verwende ich aber auch die allerabgedroschensten und merke es nicht einmal, einfach, weil sie naheliegend sind.

Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man eine von Berty Bott’s Bohnen jeglicher Geschmacksrichtung essen. Bei meinem aktuellen Projekt kann jetzt, gefühlt, wirklich alles herauskommen: entweder abgedroschener Kitsch oder etwas ganz Neues, oder, wahrscheinlicher, eine wilde Mischung von beidem. (Wovor ich ehrlich gesagt am meisten Angst habe, ist, dass es eine billige Übertragung aus „meinen“ Genres in ein neues Setting wird.)
In jedem Fall lässt einen das Schreiben in einem Genre, das man selbst nicht liest, ein paar Filter im Gehirn – einfach weglassen. Das finde ich gerade enorm aufregend. Und deshalb lasse ich mir gerade einfach mal den Spaß, Bohnen zu futtern, von deren Geschmack ich keine Ahnung habe. Mal sehen, was dabei herauskommt. Vielleicht einfach die gute, alte Vanille – vielleicht aber zur Abwechslung auch mal Seegurke.
Dass es in jedem Fall trotzdem eine feine, eigene Note von mir selbst tragen wird, darauf vertraue ich einfach.

Und wie steht’s bei euch? Würdet ihr es wagen, ein Genre zu schreiben, das ihr nicht lest? Habt ihr es schon einmal gewagt? Welchen Geschmack hatte eure Bohne?

Über die Autorin: Lea Sager wurde 1993 in Regensburg geboren und arbeitet dort als Kirchenhistorikerin. Die teils skurrilen Persönlichkeiten und Philosophien der Spätantike sind dabei immer wieder Zündfunken für Figuren und Geschichten, in denen man dem Übernatürlichen begegnet. Neben ersten eigenen Schreibversuchen ist hier auch ein Blog über phantastische Literatur im Aufbau.

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Willst du mich heiraten? oder: Das Motiv der Verlobung in Liebesromanen

Es ist vermutlich kein Geheimnis, dass ich sehr gerne lese. Wenn ich gerade in der Uni sehr viel zu tun habe und mitten in einem Schreibprojekt stecke, greife ich am liebsten auf Liebesromane zurück, weil sie keine komplexen neuen Welten erschaffen, meistens nicht um Leben und Tod gehen und ich in den meisten Fällen nicht aktiv mitdenken muss. Liebesromane werden oft als leichte Kost dargestellt und viele sind es auch. Sie eignen sich super zum Zwischendurchlesen und einfach abschalten, ohne sich großartig eindenken zu müssen. Das ist keines Falls abwertend gemeint, es ist lediglich eine Feststellung und auch wenn es nicht um Leben und Tod geht, sind Liebesromane meistens die Bücher, bei denen ich am emotinalsten bin.
Als Autor für Liebesromane, die in unserer Welt spielen, fallen einige Schwierigkeiten weg, denen sich Fantasyautoren gegenübergestellt sehen. Da ich auch schon den ein oder anderen Liebesroman geschrieben habe und mich ausprobieren konnte, achte ich beim Lesen automatisch mehr darauf. Zum Beispiel fällt das World Building fast komplett weg und auch muss man sich keine Gedanken um das Erstellen einer neuen Gesellschaftsform oder ähnliches machen. Aber genau das ist gleichzeitig eine Erleichterung sowie Erschwernis. Statt dem Vorstellen einer neuen Welt und einer anderen Gesellschaft ist dem Leser vieles schon bekannt und es dreht sich sehr detailliert um die Geschichte und die Personen an sich. Die zwischenmenschlichen Probleme stehen mehr im Fokus, als in anderen Büchern, und es kann passieren, dass sich Figuren über Kapitel nur streiten oder missverstehen. Der Fokus liegt nicht darauf, die Welt zu retten, sondern dass ein Pärchen zusammen kommt oder bleibt. Der Konflikt innerhalb des Buches blickt also auf die Beziehung und auch hier gilt es diesen Konflikt am Ende des Buches aufzulösen.
Vor allem in den letzten Monaten ist mir aufgefallen, dass Autoren diesen Konflikt sehr gerne mit einer Verlobungen (oder Hochzeiten) auflösen. Vor allem in Weihnachtsgeschichten ist dieses Motiv sehr beliebt, doch auch in vielen New Adult-Büchern ist das Pärchen am Ende verlobt oder steuert auf die Hochzeit hin. Entweder wird dieses Motiv immer beliebter oder ich lese aus Zufall immer mehr Bücher, die darauf hinauslaufen.
Dabei sind mir jedoch 2 Dinge aufgefallen, die in erstreckend vielen Büchern zu finden waren, doch mich als Lesern eher gestört haben:

Verlobung als Lösung für alles

Heiraten oder sich verloben ist eine wunderschöne Sache und sich gegenseitig zu versprechen für immer zusammen bleiben zu wollen, ist nicht nur in Büchern total romantisch, doch nicht immer kann das die Auflösung des Konflikts sein. Wenn der Streit oder das Missverständnis eigentlich nicht dadurch gelöst ist, dass die zwei verlobt sind, passt es nicht.
Ich habe vor einer Weile ein Buch gelesen, das ziemlich gut war. Die Geschichte hat mich gepackt und mitfühlen lassen, die Charaktere waren sehr gut designt und hatten eine interessante Backstory, doch die Lösung des Konflikts war die Verlobung. 500 Seiten lang wurden Bindungsängste, Beziehungsunfähigkeiten und Kommunikationsmangel thematisiert und plötzlich sollten alle Probleme durch eine Verlobung verschwunden sein. Das Pärchen hatte sich zu diesem Zeitpunkt mehrfach voneinander getrennt (das eine Mal sogar, weil er ihr einen Antrag machen und sie sich nicht binden wollte) und permanent aneinander vorbeigeredet.
An so einem Punkt ist die Verlobung nicht die Lösung. Es ist ein Schritt, der weiter in eine gute Richtung geht, doch die Misskommunikation, Beziehungsunfähigkeit und die Bindungsängste verschwinden nicht einfach, nur weil man einen Ring am Finger trägt.
Sinnvoller wäre die unromantischere Lösung einer Paartherapie oder auch nur dem gegenseitigen Eingestehen, dass beide Probleme haben und das Bereit-Sein (zusammen) daran zu arbeiten. Die Verlobung war zwar romantisch – ohne Frage – und es war ein nettes Ende, doch die Probleme und die Streitpunkte wurden am Ende nicht aufgelöst, sondern waren nach wie vor immer noch vorhanden und theoretisch noch vertiefter, weil nur 100 Seiten zuvor die Hauptperson sagte, dass sie niemals heiraten wolle.

Verlobungen als Auflösung des Konflikts innerhalb eines Romans funktioniert. Jedoch nur, wenn die Verlobung wirklich die Probleme aus dem Weg räumt. Beispielsweise ein Romeo und Julia Szenario, in der die beiden sich entscheiden am Ende mit ihrer Familie zu brechen und durchzubrennen (nur dass es in der Geschichte klappt und nicht am Ende beide tot sind). Durch das Durchbrennen fällt der Konflikt (die Familie, die gegen die Beziehung ist) weg und bietet die Möglichkeit der gemeinsamen Zukunft. Doch auch hierbei ist die Verlobung bzw. die Hochzeit nicht das Element der Auflösung des Konflikts, sondern das zusammen Weglaufen.

Die falsche Umsetzung der Verlobung

Auch hier möchte ich wieder ein Beispiel heranziehen. Es geht um ein Pärchen, das viele Jahre gegen die äußeren Schwierigkeiten kämpft, die ihre Beziehung mit sich bringt (sie haben einen großen Altersunterschied, die Eltern akzeptieren die Beziehung nicht und es gibt immer wieder Menschen und Dinge, die sich zwischen sie drängen wollen). Im zweiten oder dritten Teil – ich bin mir nicht mehr sicher, ich habe alle vier Bücher innerhalb weniger Wochen gelesen – verlobt sich das Pärchen endlich. Als Leser habe ich sehr lange darauf gewartet und dramaturgisch ergab es Sinn. Es ist nicht die Lösung des Konflikts, sondern der nächste Schritt in ihrer Beziehung, den sie beide gehen wollten. Doch etwas anderes hat mich extrem gestört. Dieses Pärchen, das seit Anfang an am Existenzminimum lebte und es kaum schaffte, die Miete zu bezahlen, ging in einem Luxusrestaurant essen und der Ring war sicherlich mehrere Monatsgehälter wert.
Als ich das gelesen habe, fand ich es süß, dass er lange gespart hat, um ihr diese Verlobung bieten zu können und mir ist klar, dass vermutlich fast jede Frau eine romantische Verlobung will, aber wichtig ist trotz allem, dass die Verlobung zu der Beziehung passt. Ein Pärchen, das kaum Geld hat, kann auch eine romanische Verlobung in den eigenen vier Wänden haben mit Wein, romantischer Musik, einem leckeren selbst gekochten Essen usw. Man muss die Verlobung nicht in einem Luxusrestaurant spielen lassen, damit es romantisch wird. Als Autor von Liebesromanen sollte man in der Lage sein, romantische Situationen ohne größere Schwierigkeiten entstehen zu lassen. Während des gesamten Essens habe ich mich nur gefragt, woher er das Geld hatte und wann er sie endlich fragt. Es gab keinerlei Überraschung bei der Verlobung. Es muss natürlich nicht überraschend kommen, doch in vielen Fällen ist es eine sehr gute Gelegenheit für einen kleinen Plottwist.
Die Verlobung muss zum Pärchen passen. Wenn das Liebespaar Couchpotatos sind, dann erwartet kein Leser, dass sie sich bei einem Fallschirmsprung verloben. Mit diesen Gegensätzen kann ganz bewusst gespielt werden, aber wenn der Leser sich nur fragt, wo das Geld herkommt oder wieso es genau so passieren musste, ist es nicht gelungen.
Hat das Pärchen einen besonderen Ort oder einen Insider kann ganz bewusst damit gespielt werden. Ein Pärchen, das kein Kitsch mag, sollte auch keine kitschige Verlobung haben und ein Pärchen, das auf große Gesten setzt, wird sich nicht an einem langweiligen Samstagabend in einer Werbepause zwischen einem Film fragen, ob sie heiraten wollen.
Es ist wichtig zu wissen, was zu dem Liebespaar passt und welche Umsetzung sinnvoll ist und auch zu den äußeren Umständen passt.

Verlobungen können etwas überaus romantisches und herzergreifendes sein, wenn sie richtig eingesetzt werden. Dabei sollte man nur darauf achten, dass es zu dem Pärchen passt und nicht das Allheilmittel für den Plot ist.